Mein Name ist Niels Hellwig, ich bin 28 Jahre alt und wurde in Lüneburg geboren. Ich wohne mit meiner Mutter und meinem Bruder Niklas in Barendorf. Ich bin in einen integrativen Kindergarten am Kalkberg gegangen und mit 1,5 Jahren wurde meinen Eltern gesagt, dass ich zu 100 Prozent geistig behindert bin. Das ist auch der Grund, warum ich nicht lesen und schreiben kann. Es stört mich mittlerweile nicht mehr, wenn Leute mich „behindert“ nennen. Da stehe ich drüber. Ich bin zu Beginn meiner Schulzeit auf die Kniebergschule in Lüneburg gegangen, wo ich aber nur ein 3/4 Jahr geblieben bin. Es war nicht leicht für meine Mama, da sie alleinerziehend war und arbeiten musste. Aus diesem Grund bin ich auch auf ein Internat in Grabow gekommen. Meine Mama hat sehr darunter gelitten, mich nur alle 2 Wochen an den Wochenenden zu sehen, was ich verstehen kann, aber für mich war es gut. Ich habe dort viele neue Freunde gefunden, wobei die Eingewöhnungszeit doch schwieriger für mich war als gedacht. In den ersten Monaten habe ich dort immer auf einem Sofa im Flur geschlafen, da dort einfach mehr Menschen langkamen als in meinem Zimmer. Das Internat wurde vom Amt bezahlt, so dass keine zusätzlichen Kosten auf meine Mutter zukamen. Neben dem Unterricht auf dem Internat verbrachte ich viel Zeit mit meinen Freunden dort und wir spielten gern auf der Konsole. „Call of Duty“ fand ich richtig gut und wenn ich Hilfe benötigte, dann fragte ich einfach Niklas – der hatte immer eine Lösung. Wenn ich am Wochenende zu Hause war, dann waren wir meist zu 6, da meine Cousinen und meine Tante auch da waren – das fand ich immer besonders schön.
Mit 20 Jahren bin ich nach Lüneburg gezogen, da das Internat eine Altersbeschränkung hatte. Ich bin ins Wohnheim der Lebenshilfe in der Von-Dassel-Straße gekommen. Arbeit habe ich auch bei der Lebenshilfe und ich kann mir aussuchen, bei welchen Auftragsarbeiten ich mithelfe. Von der Lebenshilfe wurde ich auch an die VHS herangeführt, zu der ich anfangs nur mit Begleitung ging. Erst hielt sich meine Lust noch in Grenzen, doch mittlerweile komme ich gerne zu den Kursen. Die Arbeit mit den anderen Kursteilnehmer*innen macht mir viel Freude und auch wenn es manchmal mühsam voran geht, weiß ich, dass ich trotzdem Fortschritte mache. Anfangs bin ich immer noch in einer Gruppe in die Stadt gefahren, einfach weil ich mich nicht so sicher gefühlt habe. Aber mittlerweile bekomme ich auch das schon alleine hin. Meine schönsten Erlebnisse hatte ich in meinen Urlauben. Ich durfte mit Delfinen schwimmen. Auf Curaçao gibt es eine Station, die Dolphin Aid heißt, und die bieten eine Therapie an. Sogar 2 Mal war ich da. Meine Mama hatte Spenden gesammelt, so, dass wir die Reisen bezahlen konnten. Sie hatte damals beim Restaurant Marco Polo gearbeitet und konnte einen Spendenaufruf auf deren Flyern platzieren. Außerdem hat sie auch viel gespart, so dass wir langsam aber sicher das Geld zusammen bekommen haben. Nach dem 1 Besuch konnte ich mir selbst die Schuhe zubinden. Die Leute von der Station und die Delfine haben eine tolle Arbeit geleistet.
In meiner Freizeit höre ich viel Musik, vor allem Santiano und ich gehe gerne ins Fitnessstudio, um mich fit zu halten. Ich habe auch mal Judo trainiert, aber da habe ich mir gleich den Arm gebrochen und deshalb wieder aufgehört. Ich zeichne auch sehr gerne, vor allem auf die Lernzettel der VHS. Meistens kleine Teufelchen. Mein Traum ist es, einmal meine eigenen Comics zu zeichnen und Geschichten zu schreiben. Momentan klappt das Schreiben besser als das Lesen, das ich nur mit Unterstützung hinkriege. Aber ich bleibe dran, da ich es unbedingt lernen will und weiß, dass ich es auch schaffen kann. Und wenn ich mir noch etwas wünschen kann, dann ist es, dass ich eines Tages den Führerschein machen kann. Erst möchte ich versuchen, alleine zu wohnen und dann alleine zu fahren und auf niemanden mehr angewiesen zu sein. Momentan habe ich einen Bezugsbetreuer von der Lebenshilfe, aber ansonsten kümmert sich meine Mama, als meine gesetzliche Betreuerin und mein Bruder, als gesetzlicher Betreuer um alles, was mich betrifft. Danke, dass Ihr immer für mich da seid.