Mein Name ist Rudi Kreutz, ich wurde 1959 in Hamburg geboren und bin mittlerweile 64 Jahre alt. Ich habe noch 3 Geschwister – Silvia, Richard und Andreas. Leider habe ich seit mehreren Jahren keinen Kontakt mehr zu ihnen. Meine Kindheit in Hamburg verlief größtenteils harmonisch, zumindest soweit ich mich erinnern kann. Ich war nie der Beste in der Schule und so gab ich mir auch nicht sonderlich Mühe und ging oft nicht hin. Mein Vater hatte damals eine Baufirma, bei der ich relativ früh anfing, mitzuhelfen. Ich habe sogar ein Praktikum dort durchgeführt, um weiter voranzukommen. Mitangepackt habe ich schon immer gerne, so waren Dinge wie Lesen oder Schreiben nie ein großes Thema für mich. Ich wollte meinen Eltern nicht auf der Tasche liegen und so beschloss ich, zu arbeiten. Als ich so um die 14 Jahre alt war, arbeitete ich wieder bei meinem Vater und fiel dort von einem Baugerüst. Mir wurde später erzählt, dass ich wohl mehrere Stunden bewusstlos war. Ich habe dort noch eine Weile weitergearbeitet. Ich bin dann irgendwann nach Lüneburg gezogen, wo ich nun seit mehr als 45 Jahren lebe. Ich habe relativ schnell Kontakt zur Lebenshilfe aufgenommen, wo ich bis heute noch arbeite. Die handwerklichen Arbeiten gefallen mir besonders gut, aber grundsätzlich packe ich überall mit an – egal ob Gummibärchentüten in Aufsteller einsortieren oder Schokoladenpralinen einpacken.
Ich wohne auch in den Wohnungseinrichtungen der Lebenshilfe und werde von Betreuer*innen unterstützt. Gerade bei den schriftlichen Sachen ist das auch ganz gut. Ansonsten bin ich selbstständig und kann auch Dinge wie Einkaufen selbst erledigen. Ich schreibe mir nichts auf. Ich merke mir, was ich brauche und ich vergesse ganz selten etwas. Allerdings muss man mich das ein oder andere Mal ans Aufräumen und Saubermachen erinnern, da ich sowas gerne vergesse. Dazu kommt noch, dass ich sehr gerne Sachen sammele und mich nur schwer von Dingen trennen kann. Wo ich auch noch Unterstützung bekomme, sind zum Beispiel meine Arztbesuche. Vor kurzem wurde bei mir festgestellt, dass ich Diabetes habe. Ich führe jetzt ganz genau ein Buch darüber, wann ich meine Spritzen genommen habe. Das schreibe ich alles selbst. Kleine Sachen zu schreiben klappt mittlerweile – auch Name und Anschrift. Auch das Lesen von Überschriften in Zeitungen oder Zeitschriften klappt, wenn ich mich an den dazugehörigen Bildern orientieren kann. Die VHS Lüneburg besuche ich nun auch schon seit einiger Zeit und habe dort meine wöchentlichen Kurse, an denen ich teilnehme. Ich übe mein Lesen auch stark, indem ich mich in Sachen reinarbeite. Ich bin politisch sehr interessiert und wenn mich ein Thema gepackt hat, dann möchte ich alles darüber wissen.
Ich versuche dann soweit zu kommen, wie es geht und wenn ich Hilfe benötige, dann frage ich meine VHS-Kursleiterin oder meine Betreuerin. Die sind dann auch immer ganz gespannt, mit welchen Themen ich wieder um die Ecke komme. Wenn ich nicht gerade Lesen und Schreiben übe, dann mache ich in meiner Freizeit gerne Kung-Fu. In der Goseburg gibt es ein tolles Studio, wo ich trainiere. Ich bin gerade dabei, für den gelben Gürtel zu trainieren. Ansonsten bin ich sehr viel mit meinem Fahrrad unterwegs. Genauer gesagt mit meinem E-Bike. Ich fahre dann kreuz und quer durch Lüneburg und erkunde die Stadt. Ein weiterer Grund, warum ich mit Kung-Fu angefangen habe ist, dass letztes Jahr mein Fahrrad vor meiner Nase geklaut wurde. Das hat mich ziemlich mitgenommen. Und damit mir sowas nicht nochmal passiert, habe ich mich für Kampfsport entschieden. So kann ich die Diebe in die Flucht schlagen. Mein Ziel für die Zukunft ist es, noch selbstständiger zu werden, eine betreute Einzelwohnung wäre da natürlich ein Traum. Und um das zu erreichen, muss ich mein Lesen und Schreiben noch ein wenig verbessern. Aber ich glaube daran, dass ich es hinkriegen werde.